Eine Woche nur Buch

Vor ein paar Tagen in der U-Bahn: Zwei Kids laufen vor mir her die Rolltreppe runter, beideum die 17, 18, arabisch-türkisch-kreuzbergisch mit den üblichen scwarzen Alpha-Industries-jacken und Hoodies. Der Kleinere, kaum einen Schnurrbart im Anflug und eine kleine Brille auf hält ein Blatt in der Hand, auf der in riesiger Schriftgröße ein gedichtähnlicher Text abgedruckt ist. Ich sehe ein paar Satzfetzen „Mein Liebling, ohne Dich..“ und „Du bist Shia ich bin Sunnite, aber die Libe ist größer…“ und wieder „…mein Schatz“.  Der Ältere der beiden belehrt den Jüngeren:

„Wenn Du Rappen willst, Alter, dann musst du erstmal Deinen Text verbessern. Weißt Du, wass Du machst? Lies mal ein Buch! Und dann machst Du eine Woche nur Buch!“

Und vielleicht ist das paternalistische Bildungsbürgerscheiße, aber ich war beeindruckt. Die beiden wachsen hier auf in einer Welt, in der die Hälfte der Eltern ihren Kindern nie eine Geschichte erzählt, in der ein Drittel der Eltern überhaupt nicht vorliest. Alleingelassen von der deutschen Gesellschaft lernen sie meist ein paar hundert Worte schlechtes Deutsch und ebensoviele Worte schlechtes Türkisch. Und dann von Alleine drauf zu kommen, das zum Rapper nicht nur Screet-Cred gehört, sondern vor allem „Skillz“, das eben Lernen und Lesen essentiell sind für jede Form der Kunst, finde ich bemerkenswert. Ich ziehe meinen nichtvorhandenen Hut und wünsche den Beiden eine erfolgreiche Karriere, und viele neue Erkenntnisse durchs Lesen.

Und klar gefiel mir, dass er keine Battle-Rhymes vor sich hatte, sondern mal etwas Versöhnlicheres.