180 Grad

Hallo Grüne,

also, falls sich jemand von Euch noch fragt, wieso ihr nur noch von 55jährigen Eso-Muttis und altlinken Studienräten gewählt werdet, wieso Euch die Jugend wegläuft und Euer Personal ziemlich planlos aussieht, wenn es um die Internetze geht:

Das könnte daran liegen, dass ihr vernünftige Positionen, wie z.B. die Einführung einer Kulturflatrate, die Begrenzung des Immaterialgüterrechts auf 5 statt auf 70 Jahre und die Ablehnung von Netzsperren, die Euch ein paar nette Leute aufgeschrieben haben, durch ein paar schicke Lobbyisten einfach mal weglasern lassen wollt. Heise hat dazu noch ein paar schicke Hintergründe, aber wenn Jens Michow und Frank Dostal am Grünen-Wahlprogramm basteln, dann kann das nur übel enden.

Allerdings könnt ihr Euch damit ja trösten, dass solche Leitanträge bisher bei Euch in schönster sozialdemokratischer Manier immer genau dann Essig wurden, sobald es einen Funken Hoffnung auf Regierungsbeteiligung gab. Wie auch der Gedanke, teile des Wahlprogramms durch die Leute schreiben zu lassen, dies später dann auch mal betrifft, zwar mal da war, so um 2005, aber das Ergebnis dann doch wohl zu sehr erschreckte. Sonst hättet ihr damals das entstandene Wiki nicht einfach wieder gelöscht und was ganz anderes beschlossen.

Nun darf man gespannt sein, wie schnell die Piraten diesem Prozess des Politikerwerdens zum Opfer fallen, LiquidFeedback Ja oder Nein. Aber keine Sorge, den Ruhm, als erste Partei einen ausländischen Staat ohne vorherigen Segen der UN angegriffen zu haben, nimmt Euch keiner mehr.

Es läßt mich gerade wohl nicht in Ruhe…

… das Urheberrecht. und natürlich das Schreiben von suchmaschinenunfreundlichen Überschriften. Search Engine Aggravation, oder wie immer man das nennen mag – SEA.

Jedenfalls berichtet netzpolitik.org am Freitag über das, was dann dabei rauskommt, wenn die bereits besprochene Verwirrung der Justizministerin sich ausbreitet auf die seit Jahren um ihre Renditen bangenden Verleger: Unfug. Derzeit sammeln ja alle Lobbyisten fleißig für den dritten „Korb“ des Urheberrechts. Sprachlich finde ich es charmant, das Kind beim Namen zu nennen: Schließlich geht es darum, dass möglichst alle Beteiligten etwas bekommen, für dass sie nichts getan haben, und wie bei jedem Geschenke-Korb plärren alle laut los, um ja von Mama Staat nicht vergessen zu werden. Die neuste Idee der Zeitungsverleger für dieses Sammelsurium an Renditegarantiemaßnahmen nun ist ein Copyright auf Überschriften und Satzteile.

Also darf ab sofort nur noch eine Zeitung schreiben „Beim G-20-Gipfel droht der Fehlschlag“, und alle anderen 404 Zeitungen müssen sich etwas anderes einfallen lassen? Und jedesmal, wenn ein Blogger einen Beitrag schreibt, muß er vorher recherchieren, ob die Überschrift, die er sich ausgedacht hat, bereits von jemand anderem genutzt wurde, da sonst eine Mahnung droht? Und diese Recherche dauert dann Tage, da die Suchmaschinen ja die copyrightgeschützten Satzteile gar nicht mehr indizieren und wiedergeben dürfen? Und  so muss dann auch jeder Journalist vor dem Abfassen einer Lokalnachricht alle 404 Zeitungen durchsuchen, ob schonmal jemand die Überschrift „Sommerfest der Feuerwehr“ verwendet hat? Und wie funktioniert das dann bei bereits in Romanen, Journalen oder Zeitungen der letzten 400 Jahre erschienenen Sätzen? Darf also demnächst niemand mehr irgendwas zitieren?

Fragen über Fragen. Vermutlich gilt auch hier die Regel, dass man ersteinmal die ganze Torte verlangen muss, um mit drei Stücken aufs Sofa klettern zu können und immer noch von Mami für Einsicht und Bescheidenheit gelobt zu werden. In dem Fall ist die Forderung nach Abschaffung des Copyrights eigentlich die logische Gegenmaßnahme.

Was auch immer dabei rauskommt, wenn dieser Vorschlag umgesetzt wird, er dürfte zumindest dafür sorgen, dass die BILD-Zeitung arg in Schwierigkeiten gerät: Die dann zur Vermeidung von Copyrightproblemen nötigen langen Überschriften passen doch auf keine Titelseite mehr. Am Ende stehen da noch wirkliche Informationen drin.

Als Begründung für diesen intellektuellen Durchfaller nennt der „Experte“ des Verbands der Deutschen Zeitschriftenverleger (VDZ) die News-Auszüge, die Suchmaschinen auf ihren Ergebnis-Seiten bringen, und deren Inhalte sie von den Seiten der Zeitungen ziehen. Diese seien urheberrechtlich geschützt, ebenso wie die Überschriften, da dort „viel kreative Energie“ drinstecke.

Vielleicht sollte jemand den Herrn beiseitenehmen und ihn über die Verwendung der robots.txt aufklären. Oder glaubt beim VDZ oder sonstwo ernsthaft jemand, dass noch Besucher auf die Webseiten der Tageszeitungen kommen zu einer Zeit, in der die meisten Menschen die Sucheingabezeile von Google als Adressfeld für den Browser verwenden?

Und der Qualitätsjournalismus? Der wird sich weiterhin lohnen, es gibt genügend Blogger, die inzwischen mehr als gut von ihrem Schreiben leben können.

Nur für Verleger ist da halt nicht mehr viel drin.

Der arme Leibnitz erreicht 1200 rpm

Eine öffentliche Debatte wollte Die Bundesjustizminsterin Leutheusser-Schnarrenberger eröffnen mit Ihrer Rede zum Urheberrecht. Wieso es eine „Berliner“ Rede war, weiß wohl nur die Marketingabteilung – offenbar muß Grundsätzliches heutzutage aus der „Bunnshauptstadt“ (Kohl) herausschallen, um Bedeutung zu haben. Die Rede jedenfalls eröffnet Sie mit einem Zitat von Roman Herzog über die „Erbärmlichkeit“:

Erbärmlich ein Eigentumsbegriff, der sich nur auf Sachgüter, Produktionsmittel und Wertpapiere bezieht und die Leistungen des menschlichen Geistes ausklammert! Erbärmlich eine Gesellschaft, die sich einen solchen Eigentumsbegriff leisten wollte!

Hau-Ruck, mag man Denken. Nun bezweifele ich ja bereits, dass irgendeine Form von kulturellem Reichtum oder menschlichem Glück – oder was der Gegensatz zu Erbärmlichkeit sein mag – aus Eigentum oder einem Begriff von Selbigem kommen kann, aber der Begriff  „geistiger Eigentums“ ist bereits eine contradictio in adjecto: Ein schlicht absurdes Konzept. Sobald ich einen Gedanken, ein Bild, ein Lied zu Papier gebracht, gesungen, gemalt, gesagt habe, mag es noch im juristischen Sinn mein Egentum sein, aber es wird nie wieder in meinem alleinigen Besitz sein, nicht aufgrund fehlender Rechtstheorie, sondern aufgrund der fehlenden Möglichkeit, diesen Besitz  zu sichern: In einer freien Gesellschaft kann ich niemandem am Singen, Nach-Denken, Ab-Malen oder Nacherzählen hindern.

Was wir streckenweise verbieten, is, dass jemand Geld mit dem Nach-Erzählen oder Nach-Singen verdient, aber das betrifft ein Verwertungsrecht, nicht Besitz oder Eigentum.  Dem Künstler bleibt das Verwertungsrecht an bestimmten Medien und Erscheinungsformen seiner Idee, nicht aber der geschaffene Gedanke selbst. Das Verwertungsrecht ergibt Sinn als Anreiz für Künstler. Den Besitz von Ideen oder Kunstwerken selbst aber strafbar zu machen widerspricht jedem Freiheitsbegriff, von „Raub“ und „Piraterie“ zu sprechen, wenn jemand Bits und Bytes kopiert, ist Proapaganda. Und den Schutz geistigen Eigentums gar in den Rang eines Garanten für lebenswerte Gesellschaften zu erheben, ist mehr als falsch: Es ist gefährlich. Die Staaten, in denen der Besitz oder die Kenntnis von ausgewählten Liedern oder Texten bestraft wird, nennen wir Diktatur.

Hier liegt jedenfalls ein  Denkfehler vor, der vielleicht auch einen Teil der Hartnäckigkeit der Industrie, sich Renditen aus unprofitabel gewordene Geschäftsfeldern mittels staatlichem Zwang garantieren zu lassen, erklären mag. Ausgehend jedoch von diesem Grundirrtum entwickelt die Bundesministerin einige Gedanken, die alle unter dem Leitfaden stehen:

Wir können nicht einfach die Mechanismen der analogen Welt eins zu eins auf die digitale Welt übertragen.

Aber selbst diesen Allgemeinplatz, der wohl mal für das inzwischen zu ausgeleierte „Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein“ ersetzen soll, ignoriert Frau Leutheusser-Schnarrenberger dann auch sofort wieder konsequent. Stattdessen  präsentiert sie ein Bündel von Maßnahmen aus der Wunschkiste des Kapitals, dass deshalb so hilflos und – ja, man muß sagen: albern – wirkt, da jede der Maßnahmen eben wieder eine Übertragung amtlich-deutscher Rechtsstaatlichkeitsverfahren auf das Internet ist.

Im Einzelnen nimmt der Spiegel das ganz nett auseinander, so dass ich mir den kruden Mix aus nicht Machbarem, nicht Wünschbarem und nicht Denkbaren ignorieren darf, Im Gesamteindruck wirkt die Rede, als hätte die PR-Abteilung des Ministeriums inzwischen erkannt, dass man mit der Webgemeinde genau so verfahren sollte wie mit Kernkraftgegnern oder Friedensaktivisten: Einfach ein paar der schickeren Vokabeln („Wepp Zwo Punkt Null“) übernehmen und die lästige Minderheit so lange umarmen, bis sich keiner mehr rührt.  Und natürlich immer nett sein:

Der Schutz dieser Autoren wird auch weiterhin das wichtigste Ziel des Urheberrechts bleiben.

Ich wäre mal neugierig, was die ganzen Autoren dazu sagen. Da remixt oder klaut ja keiner irgendwas. Nie nicht.

Mirror-Fencing

As an Addendum to the last entry: Not very surprisingly, Murdochs son now called for an end to goverment-sponsored media. I admit its boring that someone says exactly what is to be expected from him, I still find myself dissapointed at the fact that none of those smart guys can come up with a better idea than to outlaw competition. News are not „free“ in the intertubes, I pay the service provider, and I pay my taxes which pay for those News. If your business can’t generate the revenue you need, change your business plan. Its been done before.

Im Westen nichts Neues II

Beim Stöbern gefunden habe ich diese nette kleine Kampagne, die sich, wie andere auch, gegen die zunehmende Überwachung im Internet richtet. Nun müßte man nur noch wenigstens eine der Parteien dazu bewegen, sich nicht im Namen von Berufsparanoikern und Musikindustriellen zum Affen zu machen, sondern gegen Prestige- und Wählergewinn sich dieser Sache annimmt. Ich schätze die Chancen vorerst nicht hoch ein, leider.