Der arme Leibnitz erreicht 1200 rpm

Eine öffentliche Debatte wollte Die Bundesjustizminsterin Leutheusser-Schnarrenberger eröffnen mit Ihrer Rede zum Urheberrecht. Wieso es eine „Berliner“ Rede war, weiß wohl nur die Marketingabteilung – offenbar muß Grundsätzliches heutzutage aus der „Bunnshauptstadt“ (Kohl) herausschallen, um Bedeutung zu haben. Die Rede jedenfalls eröffnet Sie mit einem Zitat von Roman Herzog über die „Erbärmlichkeit“:

Erbärmlich ein Eigentumsbegriff, der sich nur auf Sachgüter, Produktionsmittel und Wertpapiere bezieht und die Leistungen des menschlichen Geistes ausklammert! Erbärmlich eine Gesellschaft, die sich einen solchen Eigentumsbegriff leisten wollte!

Hau-Ruck, mag man Denken. Nun bezweifele ich ja bereits, dass irgendeine Form von kulturellem Reichtum oder menschlichem Glück – oder was der Gegensatz zu Erbärmlichkeit sein mag – aus Eigentum oder einem Begriff von Selbigem kommen kann, aber der Begriff  „geistiger Eigentums“ ist bereits eine contradictio in adjecto: Ein schlicht absurdes Konzept. Sobald ich einen Gedanken, ein Bild, ein Lied zu Papier gebracht, gesungen, gemalt, gesagt habe, mag es noch im juristischen Sinn mein Egentum sein, aber es wird nie wieder in meinem alleinigen Besitz sein, nicht aufgrund fehlender Rechtstheorie, sondern aufgrund der fehlenden Möglichkeit, diesen Besitz  zu sichern: In einer freien Gesellschaft kann ich niemandem am Singen, Nach-Denken, Ab-Malen oder Nacherzählen hindern.

Was wir streckenweise verbieten, is, dass jemand Geld mit dem Nach-Erzählen oder Nach-Singen verdient, aber das betrifft ein Verwertungsrecht, nicht Besitz oder Eigentum.  Dem Künstler bleibt das Verwertungsrecht an bestimmten Medien und Erscheinungsformen seiner Idee, nicht aber der geschaffene Gedanke selbst. Das Verwertungsrecht ergibt Sinn als Anreiz für Künstler. Den Besitz von Ideen oder Kunstwerken selbst aber strafbar zu machen widerspricht jedem Freiheitsbegriff, von „Raub“ und „Piraterie“ zu sprechen, wenn jemand Bits und Bytes kopiert, ist Proapaganda. Und den Schutz geistigen Eigentums gar in den Rang eines Garanten für lebenswerte Gesellschaften zu erheben, ist mehr als falsch: Es ist gefährlich. Die Staaten, in denen der Besitz oder die Kenntnis von ausgewählten Liedern oder Texten bestraft wird, nennen wir Diktatur.

Hier liegt jedenfalls ein  Denkfehler vor, der vielleicht auch einen Teil der Hartnäckigkeit der Industrie, sich Renditen aus unprofitabel gewordene Geschäftsfeldern mittels staatlichem Zwang garantieren zu lassen, erklären mag. Ausgehend jedoch von diesem Grundirrtum entwickelt die Bundesministerin einige Gedanken, die alle unter dem Leitfaden stehen:

Wir können nicht einfach die Mechanismen der analogen Welt eins zu eins auf die digitale Welt übertragen.

Aber selbst diesen Allgemeinplatz, der wohl mal für das inzwischen zu ausgeleierte „Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein“ ersetzen soll, ignoriert Frau Leutheusser-Schnarrenberger dann auch sofort wieder konsequent. Stattdessen  präsentiert sie ein Bündel von Maßnahmen aus der Wunschkiste des Kapitals, dass deshalb so hilflos und – ja, man muß sagen: albern – wirkt, da jede der Maßnahmen eben wieder eine Übertragung amtlich-deutscher Rechtsstaatlichkeitsverfahren auf das Internet ist.

Im Einzelnen nimmt der Spiegel das ganz nett auseinander, so dass ich mir den kruden Mix aus nicht Machbarem, nicht Wünschbarem und nicht Denkbaren ignorieren darf, Im Gesamteindruck wirkt die Rede, als hätte die PR-Abteilung des Ministeriums inzwischen erkannt, dass man mit der Webgemeinde genau so verfahren sollte wie mit Kernkraftgegnern oder Friedensaktivisten: Einfach ein paar der schickeren Vokabeln („Wepp Zwo Punkt Null“) übernehmen und die lästige Minderheit so lange umarmen, bis sich keiner mehr rührt.  Und natürlich immer nett sein:

Der Schutz dieser Autoren wird auch weiterhin das wichtigste Ziel des Urheberrechts bleiben.

Ich wäre mal neugierig, was die ganzen Autoren dazu sagen. Da remixt oder klaut ja keiner irgendwas. Nie nicht.

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