180 Grad

Hallo Grüne,

also, falls sich jemand von Euch noch fragt, wieso ihr nur noch von 55jährigen Eso-Muttis und altlinken Studienräten gewählt werdet, wieso Euch die Jugend wegläuft und Euer Personal ziemlich planlos aussieht, wenn es um die Internetze geht:

Das könnte daran liegen, dass ihr vernünftige Positionen, wie z.B. die Einführung einer Kulturflatrate, die Begrenzung des Immaterialgüterrechts auf 5 statt auf 70 Jahre und die Ablehnung von Netzsperren, die Euch ein paar nette Leute aufgeschrieben haben, durch ein paar schicke Lobbyisten einfach mal weglasern lassen wollt. Heise hat dazu noch ein paar schicke Hintergründe, aber wenn Jens Michow und Frank Dostal am Grünen-Wahlprogramm basteln, dann kann das nur übel enden.

Allerdings könnt ihr Euch damit ja trösten, dass solche Leitanträge bisher bei Euch in schönster sozialdemokratischer Manier immer genau dann Essig wurden, sobald es einen Funken Hoffnung auf Regierungsbeteiligung gab. Wie auch der Gedanke, teile des Wahlprogramms durch die Leute schreiben zu lassen, dies später dann auch mal betrifft, zwar mal da war, so um 2005, aber das Ergebnis dann doch wohl zu sehr erschreckte. Sonst hättet ihr damals das entstandene Wiki nicht einfach wieder gelöscht und was ganz anderes beschlossen.

Nun darf man gespannt sein, wie schnell die Piraten diesem Prozess des Politikerwerdens zum Opfer fallen, LiquidFeedback Ja oder Nein. Aber keine Sorge, den Ruhm, als erste Partei einen ausländischen Staat ohne vorherigen Segen der UN angegriffen zu haben, nimmt Euch keiner mehr.

Frau Sitte zum Mond

Natürlich ist das mal wieder ein klassisches Sommerloch-Thema: zukunft der bemannten Raumfahrt in Europa. Das 40-jährige Jubiläum der Mondlandung wirft die Frage auf, welchen Weg Europa in Zukunft in seiner Raumfahrt gehen will, und ob es politisch klug ist, die Initiative dauerhaft an China und Indien abzugeben. Stattdessen verkündet die Linke unisono mit den Grünen, bemannte Raumfahrt lohne sich nicht.

Dies aus einer politischen Tradition, die den technischen Fortschritt auch immer als einen Weg zur Verbesserung des Los der Menschen gesehen hat, entweder qua mechanischem Weltgeistgewirke (Kommunisten), oder aber als Abfallprodukt einer generellen Verbesserung der Menschheit (Liberalismus).  Stattdessen propagieren Grüne und Linke nun einhellig den Provinzialismus als Erlösungshoffnung: Wenn wir erst alle unser Holzspielzeug bei manufactum bestellen und die gen-reinen Tomaten auf dem Dachgarten in den Himmel wachsen, werden wir alle selig werden. Was die Millionen Bangladeshis, die vorraussichtlich in den nächsten Jahrzehnten in Überschwemmungen ertrinken oder durch Überflutungen schlicht verhungern werden, ohne, dass sie ein Jota der sie hinwegschwemmenden Klimakatastrophe verursacht hätten, sicherlich trösten wird.

Aber natürlich ist das Private politisch und die großen Zusammenhänge verworren, deswegen verabschieden wir uns am Besten einfach von der Frage, wie global Lösungen gefunden werden können für ein globales Problem, denn das dauert einfach zu lange für einen Wahlzyklus, und die bösen Amis lassen uns ja einfach nicht so machen wie wird das wollen. Warum nur?

Das Ganze natürlich von zwei Parteien, die sich so quietschbunt die Freiheit auf die von der Schwulenbewegung geklauten Fahnen gemalt haben, dass sie von Clowns ununterscheidbar geworden sind. Aber Ihre Freiheit ist aus der Zeit der Rasterfahndung, ist eine Freiheit, in der Kontrolle zentralisiert und daher Macht und deswegen böse ist, eine Freiheit, die sich durch Anonymous und Google mehr bedroht fühlt als durch die Verschärfung von Sicherheitsgesetzen oder dem allgegenwärtigen Gesundheitsterror, weil Sie Freiheit immer nur als Freiheit durch Kontrolle und nicht als Freiheit durch Möglichkeit sieht.

Und da schließt sich der Kreis: All das was früher die Linke mal modern, spannend und vor allem sexy machte ist einer deprimierend nickeligen Borniertheit gewichen. Die Linke hat sich in die Schmollecke verzogen, weil man Sie nicht hat mit der Weltrevolution spielen lassen. Wenn Sie schon nicht die Welt retten, dann darf es wenigstens der Stadtwald von Oberotterbach sein oder der Landwehrkanal. Stattdessen müssen die Nerds eigene Parteien gründen und alles von vorne lernen, weil die Eltern sich in der Eckkneipe treffen und über die gute alte Zeit schwadronieren. But the geek shall inherit the earth.

Ich jedenfalls hoffe, dass meine Kinder die Erste Direktive genauso spannend finden wie Käfer im Gras, und ich würde mir sehr wünschen, wenn wir tatsächlich 257 Milliarden Dollar im Jahr für die Raumfahrt ausgeben würden, wie manche Leute so daherfantasieren. Besser dafür als für Agrarsubvention und Kohlebergbau.

P.S.: Was den Seitentitel angeht: Es wäre zu schade um den Aufwand, da bin ich mir ausnahmsweise mit der Politik einig