Wichtige Fragen der Arbeitswelt III

Seit einem Monat habe ich eine neue Arbeit, die mir viel Spaß macht, und gerade auch sehr viel beibringt. Ebenfalls spannend jedoch war der Prozess der Bewerbungen dieses Jahr. Viele der Gespräche waren gut, offen und sehr konstruktiv, und die Entscheidung für meinen derzeitigen Arbeitgeber ist mir nicht leicht gefallen. Ein Bewerbungsgespräch jedoch werde ich so schnell nicht vergessen:

Die Einladung erfolgte telefonisch, eine recht formlose Anfrage, ob ich denn nicht drei Tage später einmal kurz vorbeischauen wolle. Bewerbungsgespräche abgesagt habe ich bisher noch nicht, und auch wenn mir die Firma vor der Recherche zur Bewerbung unbekannt war, reizte mich das Arbeitsfeld – Social Media.  Also auf nach Mitte, wo immer noch Startups sitzen, obwohl sich die statusbewußteren Agenturen inzwischen nach Kreuzberg absetzen. Im Flur der Firma Chaos, Umzugskartons und Verwirrung, man ist auf dem Weg in das schreckliche Niemandsland zwischen Mitte und Kreuzberg, das irgendwo nördlich der Oranienburger Straße beginnt und zwischen Betonriegeln der Sechziger Jahre, Plattenkolossen der DDR und den Überresten wilhelminischer Geschäftsburgen eine beträchtliche Abwesenheit von Infrastruktur ausbreitet. Vermutlich günstige Mieten in zentraler Lage, oder so. Es findet sich jemand, mir einen Stuhl anzubieten, ich möge warten.

Nach einiger Zeit nehme ich mir vor, keinesfalls länger als eine halbe Stunde auf ein Bewerbungsgespräch zu warten, und angele mir das rechtzeitig zum Anlaß erstandene Buch über Projektmanagement aus dem Rucksack. Siebenundzwanzig Minuten später kommt doch wer, ein freundlicher, englisch radebrechender Informatiker, der das Bewerbungsgespräch alleine führt und während der gesamten Unterhaltung fröhlich in sein weißes MacBook klappert. Ob er da wohl gerade im Sinne von Social Media seinen Facebook-Status aktualisiert, oder meine Fragen hinaustwittert? Oder schreibt er einfach meine Antworten mit? Vielleicht sollte ich mein Handy zücken und auch einfach mal losschreiben?

Ich werde gefragt nach meiner Philosophie des Projektmanagement – woraufhin ich spontan Bernd Begemann im Ohr habe. Meine Fähigkeiten zu präziser, vollständiger und fehlerfreier Arbeit mögen kritikwürdig sein, aber spontan auf Blahlaberfasel-Fragen antworten, darin macht mir so schnell niemand was vor. Weiter: Ob ich SCRUM kenne. Kenne ich, ich hatte ja gerade eine halbe Stunde Zeit mit einem Buch über das Thema. Ein dreifaches Hurra aufs Kurzzeitgedächtnis.

Es folgt ein weiterer Schauer von Fragen nach Abkürzungen, die wohl fachliche Qualifikation etablieren sollen: Welche Software ich fürs Projektmanagement bevorzuge (vermutlich verwandt mit der Philosophiefrage, ich scheine jedoch mit meiner Antwort „Excel und Notepad“ jedoch keinen irreversiblen Gesichtsverlust zu erleiden), und  Erläuterungen über das Geschäftsmodell der Firma (Viel Geld von Investoren, jetzt muß daraus etwas entwickelt werden, weil die in zwei Jahren resultate sehen wollen) und die eigentlichen Ideen, die mich ein wenig an 27b/6 erinnern. Erst gegen Ende des Gesprächs dann traue ich mich, einmal nachzufragen, was mein Gegenüber in der Firma eigentlich macht, damit ich wenigstens weiß, mit wem ich gesprochen habe.

Die wirklich Perle kommt zwei Tage später, ein Anruf von der freundlichen Personalchefin der Firma: Sie hätten meine Bewerbungsunterlagen gelesen, und ob ich nicht mal auf ein Bewerbungsgespräch vorbeikommen wolle. Nachdem ich vorsichtig darauf hin weise, dass ich ja bereits schon einmal dagewesen sei, wird das  Gespräch etwas ungelenk übergeleitet auf die Schwierigkeiten eines Umzugs. Eine Absage bekam ich nicht. Aber Gott sei Dank bald darauf eine sehr spannende Arbeitsstelle – woanders.