Riesige Einheit

Eigentlich klang es cool: Riesengroße Puppen sollten gestern durch Berlin wandern, um eine friedvolle und nette Geschichte zum Tag der deutschen Einheit zu erzählen. Eine fantastische Idee, viel besser, als die sonst so beliebte Militärparade, wie ich finde. Die beiden Puppen streiften angeblich zwei Tage durch Berlin Mitte, um sich dann am dritten Oktober vor dem Brandenburger Tor zu treffen, und gemeinsam noch einen Tag zu verbringen. Was bedeutet, dass sie wohl heute wohl noch irgendwo unterwegs sind.

Tag der Uneinheit 2009
Tag der Uneinheit 2009

Unglücklicherweise habe ich davon bis heute nichts zu Gesicht bekommen. Was sicher auch an mir lag: Ich war nicht jeden Tag draussen, um nach Ihnen zu sehen – wir haben Besuch, und da gab es noch einen Haufen anderer Sachen zu unternehmen. Gestern Nachmittag aber wollten wir uns dann mal das Fest zur Deutschen Einheit auf der Straße des 17. Juni anschauen. Wie gesagt: Wollten.  Das von meinen Steuergeldern bezahlte Fest war abgeriegelt, der „Veranstaltungsleiter“ hatte beschlossen, es seien zu viele Menschen da. „Staatsdiener“, noch so ein gräßliches Wort für Leute die von meinem Geld bezahlt werden damit sie für mich arbeiten – und nicht für den Staat, wie ihr Name impliziert, bewachten die Sperren, auf das ja kein Kind zuviel die Puppen bestaune.

Und ja, selbstverständlich gibt es Sicherheitsvorschriften und Richtlinien und viele viele lustige Regeln zum Wohle aller, aber es ist ja nun nicht das erste mal, dass auf der Straße des 17. Juni eine Party stattfindet. Es ist auch nicht das erste mal, dass da ein paar hunderttausend Leute zusammenkommen. Und wenn der „Veranstaltungsleitung“ nichts besseres einfällt, als Sperren aufzubauen, dann ist das eine derartige Zurschaustellung von Inkompetenz, dass mich das ärgert. Die Transparenz beschränkt sich auf ein schlichtes „wer zu spät kommt, hat Pech gehabt“, dabei gäbe es weiß Gott genug Möglichkeiten, mehr Leute unterzubringen, oder die limitierten Plätze anders zu verteilen. Verlost oder verkauft sie im Internet, oder sagt wenigstens den armen Kerlen, die sich an den Absperrschranken die Beschwerden der abgewiesenen Besucher anhören mußten, wann die Feier weitergeht.

Aber das hunderttausende von Deutschen am Tag der deutschen Einheit mit „Wir wissen och nischt, wanns weitergeht“ an Sperren in der Hauptstadt abgewiesen wurden, erscheint mir für einen 3. Oktober doch etwas zu peinlich.

Im Westen nichts Neues II

Beim Stöbern gefunden habe ich diese nette kleine Kampagne, die sich, wie andere auch, gegen die zunehmende Überwachung im Internet richtet. Nun müßte man nur noch wenigstens eine der Parteien dazu bewegen, sich nicht im Namen von Berufsparanoikern und Musikindustriellen zum Affen zu machen, sondern gegen Prestige- und Wählergewinn sich dieser Sache annimmt. Ich schätze die Chancen vorerst nicht hoch ein, leider.

Im Westen nichts Neues

Die SPD ist weiterhin wild entschlossen, die Wahlen im Herbst zu verlieren, und schießt sich bei jeder Gelegenheit selbst ins Knie. Der „rechtsfreie Chaosraum“ scheint für die etablierten Parteien nach wie vor ein Buch mit Sieben Siegeln: Man kopiert die Rezepte zu Grasroots aus den USA, ohne auch nur im Geringsten zu bedenken, dass man zur Umsetzung dieser Konzepte vielleicht die Unterstützung derer braucht, die man an anderer Stelle so großzügig verprellt.

Dann gründen wir eben eine eigene Partei. Moment, die gibts schon?

The poor cattle of Wyoming

It was a matter of time before someone had collected enough data on the dreaded intertubes and threatened to blow all covers, but now it has happend, and all sorts of perversions, personal habits, preferences and perturbances have been thoroughly numbercrunched and colorcoded. OKC started publishing some very cute statistics about rape fantasies and personal hygiene habits in the US and elsewhere, and I have high hopes for their upcoming work.

Elsewhere, OKC is feeling the strain of its popularity now, all the college people suddenly seem to rush in, and slowly the neerds and geekgirls that populated this cute website become a minority, spambots and russian scammers increas the number of fake profiles, and the forums are already a constant frat party. I will see how long I stick around, especially since I’m not looking for dates anymore.

But as long as they don’t take slashdot away from me, I shall be happy browsing the webs.

Die Freuden der wissenschaftlichen Arbeit

Ein kleiner Fund aus einer eher zufälligen Lektüre möchte ich dem geneigten Leser nicht vorenthalten, zumal da ich die überaus große Freude habe, ein Standard-Nachschlagewerk zu zitieren, das sowohl durch die Qualität seines Verlags als auch durch seine Verbreitung über jeden Zweifel erhaben ist. Ich fand Folgendes gesagt zum Thema Frühzeit der Stadtentwicklung:

Dieser „verständige Mensch“ (lat. homo sapiens sapiens) trat „ziemlich unvermittelt“ vor ca. 40.000 Jahren auf, frühe Funde als allen Kontinenten zeigen eine im Typus relative Einheitlichkeit:

(…)

5. Er ist das einzige mit einer Individualseele begabte Lebewesen; dies bezeugen Religion und Wissenschaft; um dieser Seele Willen bestattete der frühgeschichtliche Mensch die Verstorbenen mit Opfergaben „für die lange Reise“.

Diese Feststellung wirft natürlich eine Menge Fragen auf. Anfänglich möchte man einfach nur die Belegstellen aus der psychologischen oder medizinischen Fachliteratur haben, in denen die menschliche Individualseele belegt wird. Eine derartig revolutinäre wissenschaftliche Erkenntnis ist ja in ihrer Sprengkraft nur mit einem Gottesbeweis zu vergleichen, da würde man sich nur zu gerne einer vertiefende Lektüre widmen.

Erst beim wiederholten Lesen jedoch erschließt sich die volle Schönheit dieses Absatz, dessen nebulöse Mehrdeutigkeit die eigenen Gedanken langsam ins Metaphorische, wenn nicht gar Metaphysische abdriften lässt. So belegt die Wissenschaft ja die Seele gar nicht, sondern bezeugt sie nur, und wer könnte abstreiten, das es christliche Wissenschaftler gegeben hat? Beeindruckend die schlafwandlerische Sicherheit, die dem Autor das glasklare Wissen um die genauen Gedanken und Absichten derer verschafft, die vor 30.000 Jahren ihre Artgenossen in Spanien bestatteten, und die selbstverständlich vom gleichen Geist beseelt waren wie die ersten Bauern des Indus- und des Yangtse-Tals, als sie ihre Verstorbenen begruben.

Aber there’s more to it than meets the eye, wie der Engländer sagt. Lassen wir für eine Sekunde die brilliante Verwendung der Interpunktion beiseite, die Zusammenhänge suggeriert, wo nicht einmal die Muse Assoziation ihr hübsches Köpfchen heben dürfte, und widmen uns der Terminologie: „Individualseele“. Die Schlußfolgerung, dass es also auch eine Kollektivseele geben muß, liegt auf der Hand, anderenfalls wäre die Verwendung des Vorsatz „Individual“ gegenstandslos. In diesem Satz klingt an, das andere Lebewesen zumindest über Gruppenseelen verfügen könnten, wieviele Kühe man jedoch braucht, um eine vollfunktionierende Seele zu bekommen, oder ob die Gattung der Frösche samt und sonders zur Hölle fahren wird (wegen damals in Ägypten und so), oder vielleicht nur eine Unterart, bleibt leider unklar. Vielleicht meint der Satz aber auch nur, das Gruppen von Menschen ebenfalls eine Seele besitzen, die vielziterte Seele der Deutschen mag hier angedacht sein – aber auch hier bleibt bis zuletzt ungesagt, wieviele Deutsche wirklich zusammenkommen müssen, um Seele zu verspüren, und ob die Gruppe der arbeitslosen Stahlarbeiter auch bereits eine besitzt, und inwiefern sich diese strukturell oder qualitativ von der Seele neapolitanischer Drogenstricher unterscheidet. Inwiefern besonders der Seele zugewandte Orte (Eckkneipe, Südkurve, Erschießungspeloton) diese Zahlen beinflussen, kann nur spekuliert werden.

Bevor jedoch hier endgültig die Analyse zur Exegese wird, sei Einhalt geboten. Über den zweiten Satz

„Wann der Mensch seine natürliche Hemmung durchbrach, seine eigenen Artgenossen zu töten, ist nicht erwiesen. Nach dem Zeugnis eines Hirtenvolks war es der sesshafte Bauer KAIN der Schäfer ABEL erschlug (Gen. 4.8.). Die Gefahr des Brudermordes unter den Menschen erforderte baulichen Schutz vor den Nachbarn.“

ist dann nicht mehr viel zu sagen, immerhin komprimiert der Autor die Entstehung der Stadt in wenige Zeilen und kann sich auf den folgenden Seiten wichtigeren Dingen zuwenden, wie z.B. der wissenschaftlichen Methode.

(Beide Zitate aus: Jürgen Hotzan, dtv-Atlas zur Stadt. Von den ersten Gründungen bis zur modernen Stadtplanung, München 1993, S. 13)