Man möcht sich ja aufregen…

…aber es ist dann doch nur folgerichtig, dass Facebook selbstverständlich lauthals verkündet, die Gruppe „Draw Muhammad Day“ gelöscht zu haben, nachdem es in Pakistan zu den Protesten der üblichen Verdächtigen kam, dementsprechend natürlich weiterhin Geschäfte machen darf, auch wenn, wie sich im Nachhinein herausstellt, dass die Löschung der Gruppe natürlich erstunken und erlogen war (Login notwendig).

Ebenfalls auf Facebook unterwegs ist der im Web fröhliche Urständ‘ feiernde Antisemitismus, der gerade nach dem PR-Coup der Hamas mit der „Humanitären Hilfslieferungs-Flotte mal wieder besonders laut losquäkt.  Fein artikuliert ist selbiger in seiner ganzen Bratwursthaftigkeit auch immer wieder in den telepolis-Foren, dem telepolis, dass so gerne mal Slashdot wär‘, aber leider dann doch immer nur dumm endet.

Aber hier und heute gehts um Facebook – wo auch sonst sollten sich Antisemiten treffen, schließlich sind da ja alle. Brave Zivilgesellschaft, die wir in Deutschland so sind, gründete sich dann im Mai auch mal eine Gruppe gegen die NPD, die rasch auf 300.000 Mitglieder anwächst. Und die sich dann von Facebook belehren lassen muss, dass man gegen die NPD auf Facebook nichts tun könne, da die NPD eine

rechtmäßige Organisation in Deutschland

sei. Wir lernen erstens: Karikaturen zeichnen: Böse, weil geschäftsschädigend.  Alle Juden umbringen wollen: Völlig okay, wir haben ja hier Meinungsfreiheit.

Und der Unterschied zeigt eben, wie Kapitalismus funktioniert: Wenn es jetzt ein paar Todesdrohungen von Anti-NPD-Aktivisten gegen die deutschen Facebook-Mitarbeiter gäbe, wenn bei einer Anti-Facebook-Demo Molotov-Cocktails flögen und US Flaggen verbrannt würden, dann ginge das sicherlich ruck zuck mit der Sperrung der NPD.

Oder aber sollte der Innenminister laut über eine Sperrung von Facebook wegen der – ohne weiteres – auffindbaren strafrechtlich relevanten Inhalte nachdenken, ich möcht wetten, auch dann ginge das mit dem Entfernen der NPD sicherlich fix. Hat ja keiner ein Recht darauf, da zu sein.

Aber so lehrt’s einen zweitens: Dass im Kapitalismus Randale zum Ziel führt. Was ich nicht als Aufruf verstanden wissen möchte, sondern als traurige Feststellung. Wer das Posting vor diesem gelesen hat sieht, dass ich gerade wichtigeres zu tun habe als Steine schmeißen :)

Wichtige Fragen der Arbeitswelt V

Heute nur eine kurze Beobachtung:

Das immer alles frisch, neu, ungewöhnlich und total crazy sein muß, um Aufmerksamkeit zu bekommen, ist eine ziemlich ausgelutschte Weisheit. Dennoch schön, wenn sie sich auf so einfache Art bestätigt, wie es bei einem der führenden Netzwerker-Portalen der Fall ist. Hier ist die Gruppe „QUERDENKER-CLUB“ mit mehreren zehntausend Mitgliedern die zahlenmäßig fünftstärkste – alle wollen dabei sein, wenn ungewöhnlich gedacht wird, selbst wenn sich das nur in der Verwendung der Caps Lock-Taste bemerkbar macht.

Oder wie Max Gold in besseren Tagen bemerkte:

Um sich von der Masse abheben zu wollen, muss man ihr per Definitionem angehören.

Unsere Kinder werden es als revolutionär empfinden, dreissig Jahre nichts aufregendes gemacht zu haben.

Wichtige Fragen der Arbeitswelt IV

Die Frage stammt diesmal aus der Abteilung Kundenanfragen aus der Hölle und lautet:

Was mir etwas fehlt ist die Bedienungsanleitung der Seite.
Was soll der Kunde denn mit der Seite machen, wenn sie fertig
programmiert ist?

Und da wüßte man gerne, ob dieser Mensch auch denkt, dass er von seinem Autohändler beim Erwerb eines Autos auch Fahrstunden kostenlos dazu bekommt, oder ob er beim Erwerb einer Küche auch einen dreiwöchigen Kochkurs und Lebensmittelieferungen für ein Jahr gratis dazu erwartet.

Er wird sich nicht mit einem Link auf die Online-Dokumentation des Open-Source Content-Management-Systems zufriedengeben, befürchte ich.

Wichtige Fragen der Arbeitswelt III

Seit einem Monat habe ich eine neue Arbeit, die mir viel Spaß macht, und gerade auch sehr viel beibringt. Ebenfalls spannend jedoch war der Prozess der Bewerbungen dieses Jahr. Viele der Gespräche waren gut, offen und sehr konstruktiv, und die Entscheidung für meinen derzeitigen Arbeitgeber ist mir nicht leicht gefallen. Ein Bewerbungsgespräch jedoch werde ich so schnell nicht vergessen:

Die Einladung erfolgte telefonisch, eine recht formlose Anfrage, ob ich denn nicht drei Tage später einmal kurz vorbeischauen wolle. Bewerbungsgespräche abgesagt habe ich bisher noch nicht, und auch wenn mir die Firma vor der Recherche zur Bewerbung unbekannt war, reizte mich das Arbeitsfeld – Social Media.  Also auf nach Mitte, wo immer noch Startups sitzen, obwohl sich die statusbewußteren Agenturen inzwischen nach Kreuzberg absetzen. Im Flur der Firma Chaos, Umzugskartons und Verwirrung, man ist auf dem Weg in das schreckliche Niemandsland zwischen Mitte und Kreuzberg, das irgendwo nördlich der Oranienburger Straße beginnt und zwischen Betonriegeln der Sechziger Jahre, Plattenkolossen der DDR und den Überresten wilhelminischer Geschäftsburgen eine beträchtliche Abwesenheit von Infrastruktur ausbreitet. Vermutlich günstige Mieten in zentraler Lage, oder so. Es findet sich jemand, mir einen Stuhl anzubieten, ich möge warten.

Nach einiger Zeit nehme ich mir vor, keinesfalls länger als eine halbe Stunde auf ein Bewerbungsgespräch zu warten, und angele mir das rechtzeitig zum Anlaß erstandene Buch über Projektmanagement aus dem Rucksack. Siebenundzwanzig Minuten später kommt doch wer, ein freundlicher, englisch radebrechender Informatiker, der das Bewerbungsgespräch alleine führt und während der gesamten Unterhaltung fröhlich in sein weißes MacBook klappert. Ob er da wohl gerade im Sinne von Social Media seinen Facebook-Status aktualisiert, oder meine Fragen hinaustwittert? Oder schreibt er einfach meine Antworten mit? Vielleicht sollte ich mein Handy zücken und auch einfach mal losschreiben?

Ich werde gefragt nach meiner Philosophie des Projektmanagement – woraufhin ich spontan Bernd Begemann im Ohr habe. Meine Fähigkeiten zu präziser, vollständiger und fehlerfreier Arbeit mögen kritikwürdig sein, aber spontan auf Blahlaberfasel-Fragen antworten, darin macht mir so schnell niemand was vor. Weiter: Ob ich SCRUM kenne. Kenne ich, ich hatte ja gerade eine halbe Stunde Zeit mit einem Buch über das Thema. Ein dreifaches Hurra aufs Kurzzeitgedächtnis.

Es folgt ein weiterer Schauer von Fragen nach Abkürzungen, die wohl fachliche Qualifikation etablieren sollen: Welche Software ich fürs Projektmanagement bevorzuge (vermutlich verwandt mit der Philosophiefrage, ich scheine jedoch mit meiner Antwort „Excel und Notepad“ jedoch keinen irreversiblen Gesichtsverlust zu erleiden), und  Erläuterungen über das Geschäftsmodell der Firma (Viel Geld von Investoren, jetzt muß daraus etwas entwickelt werden, weil die in zwei Jahren resultate sehen wollen) und die eigentlichen Ideen, die mich ein wenig an 27b/6 erinnern. Erst gegen Ende des Gesprächs dann traue ich mich, einmal nachzufragen, was mein Gegenüber in der Firma eigentlich macht, damit ich wenigstens weiß, mit wem ich gesprochen habe.

Die wirklich Perle kommt zwei Tage später, ein Anruf von der freundlichen Personalchefin der Firma: Sie hätten meine Bewerbungsunterlagen gelesen, und ob ich nicht mal auf ein Bewerbungsgespräch vorbeikommen wolle. Nachdem ich vorsichtig darauf hin weise, dass ich ja bereits schon einmal dagewesen sei, wird das  Gespräch etwas ungelenk übergeleitet auf die Schwierigkeiten eines Umzugs. Eine Absage bekam ich nicht. Aber Gott sei Dank bald darauf eine sehr spannende Arbeitsstelle – woanders.

Wichtige Fragen der Arbeitswelt

Der Spiegel mal wieder in seiner charmanten Art:

Doch beim Hedgefonds von Raj Rajaratnam tun sich Abgründe auf: Insider berichten von permanentem Druck – und der regelmäßigen Beleidigung selbst von Führungskräften.

(http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,655957,00.html)

Meine Frage: Ab welcher Bruttojahressumme verbietet sich das „Arschloch“? Und welche Gehaltsdifferenz muß bestehen, damit ich einen Untergebenen als „nichtsnutzigen Schwachkopf“ bezeichnen darf?
Sachdienliche Hinweise bitte jederzeit an mich.