Politikerdeutsch oder verstehe ich’s nur nicht?

Also die Speicherung und Herausgabe von Nutzerdaten, Passwörtern und PIN-Codes an Ermittlungsbehörden und andere staatliche Stellen sind teilweise verfassungswidrig, sagt das Bundesvwerfassungsgericht. Spezifisch fürfen Strafverfolgungsbehörden keinen Zugriff auf Passwörter und PINs verlangen, da die Auskunftspflicht

nicht den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes genügt.

So weit, so klar.

Nun legt die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vor, der betont

dass die Auskunftspflicht auch für Daten wie PIN-Codes und Passwörter gilt, mit denen der Zugriff auf Endgeräte oder damit verknüpfte Speichereinrichtungen geschützt wird

Aber natürlich

[werden] keine neuen Befugnisse für Strafverfolgungs- oder Sicherheitsbehörden geschaffen

Weil das darf ja auch nicht, weil siehe Bundersverfassungsgericht.

Bin ich der Einzige, der glaubt, dass da ein offener Widerspruch exisitiert? Verstehe ich die Idee dahinter nicht? Oder bringt die Bundesregierung gerade (mal wieder) ein nicht durch die Verfassung gedecktes Gesetz ein, weil steter Tropfen höhlt den Stein und so weiter? Es ist ja nicht so, dass unsere Sicherheitsexperten sich nicht schon mehrere schallenden Ohrfeigen für ihre krude gestrickten Paranoiamaßnahmen eingefangen hätten.

Es lohnt sich auf jeden Fall, das Vorhaben im Auge zu behalten.

Eine Woche nur Buch

Vor ein paar Tagen in der U-Bahn: Zwei Kids laufen vor mir her die Rolltreppe runter, beideum die 17, 18, arabisch-türkisch-kreuzbergisch mit den üblichen scwarzen Alpha-Industries-jacken und Hoodies. Der Kleinere, kaum einen Schnurrbart im Anflug und eine kleine Brille auf hält ein Blatt in der Hand, auf der in riesiger Schriftgröße ein gedichtähnlicher Text abgedruckt ist. Ich sehe ein paar Satzfetzen „Mein Liebling, ohne Dich..“ und „Du bist Shia ich bin Sunnite, aber die Libe ist größer…“ und wieder „…mein Schatz“.  Der Ältere der beiden belehrt den Jüngeren:

„Wenn Du Rappen willst, Alter, dann musst du erstmal Deinen Text verbessern. Weißt Du, wass Du machst? Lies mal ein Buch! Und dann machst Du eine Woche nur Buch!“

Und vielleicht ist das paternalistische Bildungsbürgerscheiße, aber ich war beeindruckt. Die beiden wachsen hier auf in einer Welt, in der die Hälfte der Eltern ihren Kindern nie eine Geschichte erzählt, in der ein Drittel der Eltern überhaupt nicht vorliest. Alleingelassen von der deutschen Gesellschaft lernen sie meist ein paar hundert Worte schlechtes Deutsch und ebensoviele Worte schlechtes Türkisch. Und dann von Alleine drauf zu kommen, das zum Rapper nicht nur Screet-Cred gehört, sondern vor allem „Skillz“, das eben Lernen und Lesen essentiell sind für jede Form der Kunst, finde ich bemerkenswert. Ich ziehe meinen nichtvorhandenen Hut und wünsche den Beiden eine erfolgreiche Karriere, und viele neue Erkenntnisse durchs Lesen.

Und klar gefiel mir, dass er keine Battle-Rhymes vor sich hatte, sondern mal etwas Versöhnlicheres.

Man möcht sich ja aufregen…

…aber es ist dann doch nur folgerichtig, dass Facebook selbstverständlich lauthals verkündet, die Gruppe „Draw Muhammad Day“ gelöscht zu haben, nachdem es in Pakistan zu den Protesten der üblichen Verdächtigen kam, dementsprechend natürlich weiterhin Geschäfte machen darf, auch wenn, wie sich im Nachhinein herausstellt, dass die Löschung der Gruppe natürlich erstunken und erlogen war (Login notwendig).

Ebenfalls auf Facebook unterwegs ist der im Web fröhliche Urständ‘ feiernde Antisemitismus, der gerade nach dem PR-Coup der Hamas mit der „Humanitären Hilfslieferungs-Flotte mal wieder besonders laut losquäkt.  Fein artikuliert ist selbiger in seiner ganzen Bratwursthaftigkeit auch immer wieder in den telepolis-Foren, dem telepolis, dass so gerne mal Slashdot wär‘, aber leider dann doch immer nur dumm endet.

Aber hier und heute gehts um Facebook – wo auch sonst sollten sich Antisemiten treffen, schließlich sind da ja alle. Brave Zivilgesellschaft, die wir in Deutschland so sind, gründete sich dann im Mai auch mal eine Gruppe gegen die NPD, die rasch auf 300.000 Mitglieder anwächst. Und die sich dann von Facebook belehren lassen muss, dass man gegen die NPD auf Facebook nichts tun könne, da die NPD eine

rechtmäßige Organisation in Deutschland

sei. Wir lernen erstens: Karikaturen zeichnen: Böse, weil geschäftsschädigend.  Alle Juden umbringen wollen: Völlig okay, wir haben ja hier Meinungsfreiheit.

Und der Unterschied zeigt eben, wie Kapitalismus funktioniert: Wenn es jetzt ein paar Todesdrohungen von Anti-NPD-Aktivisten gegen die deutschen Facebook-Mitarbeiter gäbe, wenn bei einer Anti-Facebook-Demo Molotov-Cocktails flögen und US Flaggen verbrannt würden, dann ginge das sicherlich ruck zuck mit der Sperrung der NPD.

Oder aber sollte der Innenminister laut über eine Sperrung von Facebook wegen der – ohne weiteres – auffindbaren strafrechtlich relevanten Inhalte nachdenken, ich möcht wetten, auch dann ginge das mit dem Entfernen der NPD sicherlich fix. Hat ja keiner ein Recht darauf, da zu sein.

Aber so lehrt’s einen zweitens: Dass im Kapitalismus Randale zum Ziel führt. Was ich nicht als Aufruf verstanden wissen möchte, sondern als traurige Feststellung. Wer das Posting vor diesem gelesen hat sieht, dass ich gerade wichtigeres zu tun habe als Steine schmeißen :)