Warum ich kein Pirat mehr werde

Der Starke ist sich selbst stark genug. Die Reichen brauchen keine Partei, sie können sich eine kaufen.

Demokratie ist deswegen die beste Regierungsform, da sie den Vielen erlaubt, sich gegen die Wenigen zu verteidigen, da sie den Massen eine Stimme gibt, gegen die schweren Trompeten des Geldes anzuschreien.

Meine Partei muß eine Partei der Schwachen sein, eine Partei, die Arme, Kranke, Müde gegen die Mächtigen in Schutz nimmt, ihnen einen Arm bietet oder eine Unterkunft.

Meine Partei muß eine Partei der Menschen sein, eine Partei, die mich und jeden als Ganzes wahrnimmt, nicht als Stückchen, dass nur als Teil eines Größeren (Gott, Die Revolution, Das Volk) Bedeutung gewinnt.

Meine Partei muß eine kritische Partei sein, in der Erfahrungen aus vergangenen Kämpfen gehört werden, und die in der Lage ist, Positionen zu diskutieren, zu überdenken, und zu ändern.

Solange Frauen gesellschaftliche benachteiligt werden, muß meine Partei feministisch sein.

Solange Menschen wegen ihrer Homosexualität oder Queerheit (sexuelle Idendität klingt für mich albern, so als ob jemals jemand wegen seiner Heterosexualität verfolgt worden sei) beleidigt, angegriffen und ausgeschlossen werden, muss meine Partei Homosexuelle und Queers unterstützen.

Solange Synagogen unter Polizeischutz stehen müssen und Juden beleidigt, angegriffen und verfolgt werden, muß meine Partei klar gegen jede Form des Antisemitismus vorgehen.

Solange Menschen wegen ihrer Herkunft oder Hautfarbe oder Religion diskriminiert, beleidigt oder angegriffen werden, muss meine Partei antirassistisch und solidarisch sein.

Wer nicht für die Schwachen da ist, hat meine Stärke nicht verdient.

Und wenn dass alles geklärt wäre, könnte man anfangen, über Politik zu sprechen, die aus diesen Prinzipien folgt, über eine Einschränkung der Geheimdienste und ihrer Befugnisse, eine graduellen Abbau des seit 2001 blühenden Polizeistaats, der Anhebung von Steuern auf Gewinne durch Aktienhandel und Verkauf von Optionspaketen, Urheberrechtsreform und Subventionsabbau zu sprechen, man könnte also mit der praktischen Arbeit anfangen, wenn man denn eine Partei dafür hätte.

Die Piraten könnten vieles davon sein, wenn man ihr Wahlprogramm anschaut und die offiziellen Verlautbarungen. Die Piraten klangen lange so, als wären sie gerne diese Parteil Unglücklicherweise sind sie es dann doch nicht, einfach, weil dass Personal dem Programm zu oft wiederspricht.

Was eine Schande ist.

Räder rollen für den Sieg

Heute Morgen im Radio gleich zwei mal ein Werbespot „A wie Angriff – die neue A-Klasse von Mercedes Benz“. Nun bin ich ja von deutscher Reklame einiges gewohnt, aber das lies mich dann doch husten.

Dachten die frischen Jung von Matt-Werber dabei vielleicht an das früher so beliebte „Angriffshöhe 4000„, eines der „Wir waren dabei“-Bücher über die zu einem guten Teil mit Mercedes-Motoren bestückte Luftwaffe, welches so viele Details enthält, aber dabei kein Wort über Gründe und Auswirkungen des Krieges verliert? Hat bei der Nachkriegsgeneration eingeschlagen wie eine Bombe, hähä, also mögen die Jungen den sicher auch, den Ton.

Oder wollten die jungen Damen und Herren vielleicht subversiv darauf anspielen, dass Mercedes Benz einer der beiden größten Einzelaktionäre bei der EADS ist (dem wiederum zweitgrößten europäischen Rüstungskonzern und dem siebtgrößten der Welt)? Das Mercedes Benz qua Teilhaberschaft mitverantwortlich ist dafür, dass Deutschland jetzt wieder der drittgrößte Rüstungsexporteur der Welt ist und fröhlich Panzer an Diktatoren oder islamische Gottesstaaten, in denen Menschenrechte mit Füßen getreten werden, liefert?

Die direkte Verknüpfung mit der beliebten Berliner Tageszeitung aus vergangener Zeit wäre vermutlich sogar unseren sensiblen Medienschaffenden zu plump, zumal trotz der vorbildlichen Personalunion von Betriebsführung und Parteileitung sich schon im Herbst 1944 zersetzende Elemente am Volkseigentum schamlos bereicherten. Nach dem Ausbruch der Alliierten bekam man in Böblingen, Sindelfingen und Stuttgart kalte Füße und schaffte das aus den aus ganz Europa herangezerrten Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen herausgepresste Geld in Sicherheit. Irgendwer mußte das Wirtschaftswunder ja schließlich bezahlen, allein vom Marshall-Plan kommt da nix, sonst hätte es in Großbritannien und Frankreich viel mehr wirtschaftswundern müssen als im schönen Schwabenländle. Und es git eben gute Gründe, warum die Briten noch drei Jahre länger um Essensmarken anstehen mußten als wir.

Aber wer wird schon wieder von diesen Geschichten anfangen wollen. Wir nicht, und Jung von Matt würde wenn eher dafür bezahlt, von diesen unschicklichen Details auf dem Weg zum größten Autokonzerne der Welt  abzulenken, und nicht, um dumme Witze zu reißen. Es sei denn, die Herren der Marketingabteilung von Mercedes hätten tatsächlich eine sehr seltsame Art von Humor, in welchem Fall wir geneigt wären, ihnen Hämorriden in der Größe von  Tennisbällen zu wünschen, und dies auch nur als eine der milderen Strafen, die gerechterdings in einem solchen Fall wünschbar wären.

Andererseits lassen diese Geschichten einen natürlich nicht immer los, wie Geschichten eben so sind: Sie bleiben zäh kleben im Gehirn, verketten und verbinden sich, und setzen immer noch einen drauf. Und selbst wenn mir Google jetzt sagt, der Spot wurde bereits im Mai 2012 gesendet und bedient sich beim Fußball, weil Fußball ist ja nur Sport und unschuldig, dann fällt meinem armen Kopf dazu auch nur dieses lästige Phänomen ein, dass seit acht Jahren auf einmal lauthals überall geschrieben wird, es sei jetzt gefälligst normal, deutsche Fahnen zu schwenken und dabei zu gröhlen, das zeige den unverkrampften Umgang mit der Nation. Da werden Sommermärchen beschworen und die neue Normalität, dass man sich fragt, wie wir nur in dieser schrecklich freudlosen Trauerrepublik des 20. Jahrhunderts ohne seelischen Schaden groß werden konnten.

Aber natürlich ist die neue Normalität ganz ein Kind der alten Normalität, und auch wenn mich gerade keiner gefragt hat: Ich möchte mit jemand, der mit Freude, Hingabe, Disziplin, Aufopferungsgeist und viel Mühe Millionen von Menschen im industriellen Maßstab nur deswegen umgebracht hat, weil sie ihm nicht paßten, nicht mal an einem Tisch sitzen, geschweige denn, seine Farben tragen. Ja, nee, klar, war keiner der heute Lebenden da dabei, haben die nix mit zu tun, aber die Defintion von Nation beinhaltet

„gemeinsame kulturelle Merkmale wie Sprache, Tradition, Sitten, Gebräuche oder Abstammung“,

lauter historisches Zeug eben. An dieser Stelle Dank an die Wikipedia für die Bestätigung aller Vorurteile: Der Artikel beginnt mit der deutschen, schwammigen, auf Abstimmung und Kultur beruhenden Defintion, nicht der ursprünglicheren, französischen, revolutionären, liberalen Definition der Nation als eines freiwilligen Zusammenschlusses von freien Bürgern, eines „täglichen Plebiszit“ (Renan). Für die Deutschen muss es eben immer die Kultur und das Blut sein.

Die Gesamtheit der Lebenden aber möchte vor allem Fahnen schwenken und Israel kritisieren. Aber fragen Sie doch mal den nächsten Polen, den sie treffen, was er davon hält, wenn er „A wie Angriff“ hört und dann auch noch die deutsche Fahnen sieht. Es gibt da historische Vorbilder in den Bilderwelten. Sie können ihn ja dann immer noch damit beruhigen, dass das Existenzrecht Polens für uns nicht zur Diskussion steht.

180 Grad

Hallo Grüne,

also, falls sich jemand von Euch noch fragt, wieso ihr nur noch von 55jährigen Eso-Muttis und altlinken Studienräten gewählt werdet, wieso Euch die Jugend wegläuft und Euer Personal ziemlich planlos aussieht, wenn es um die Internetze geht:

Das könnte daran liegen, dass ihr vernünftige Positionen, wie z.B. die Einführung einer Kulturflatrate, die Begrenzung des Immaterialgüterrechts auf 5 statt auf 70 Jahre und die Ablehnung von Netzsperren, die Euch ein paar nette Leute aufgeschrieben haben, durch ein paar schicke Lobbyisten einfach mal weglasern lassen wollt. Heise hat dazu noch ein paar schicke Hintergründe, aber wenn Jens Michow und Frank Dostal am Grünen-Wahlprogramm basteln, dann kann das nur übel enden.

Allerdings könnt ihr Euch damit ja trösten, dass solche Leitanträge bisher bei Euch in schönster sozialdemokratischer Manier immer genau dann Essig wurden, sobald es einen Funken Hoffnung auf Regierungsbeteiligung gab. Wie auch der Gedanke, teile des Wahlprogramms durch die Leute schreiben zu lassen, dies später dann auch mal betrifft, zwar mal da war, so um 2005, aber das Ergebnis dann doch wohl zu sehr erschreckte. Sonst hättet ihr damals das entstandene Wiki nicht einfach wieder gelöscht und was ganz anderes beschlossen.

Nun darf man gespannt sein, wie schnell die Piraten diesem Prozess des Politikerwerdens zum Opfer fallen, LiquidFeedback Ja oder Nein. Aber keine Sorge, den Ruhm, als erste Partei einen ausländischen Staat ohne vorherigen Segen der UN angegriffen zu haben, nimmt Euch keiner mehr.

Wählerbeschimpfung II

Zum Thema Volksabstimmungen und Demokratie heute mal von der CSU:

CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sagte der „Saarbrücker Zeitung“, Volksentscheide seien „kein Allheilmittel“. Entscheidungen ließen sich oft nicht auf ein Ja oder Nein herunterbrechen.

Wie stimmen die im Parlament sonst ab? „Alle die für ‚Mal schauen‘ sind, bitte etwas von der ‚Müssen wir noch drüber Nachdenken‘ Gruppe abrücken… da hinten am Herrenklo sammelt sich dann bitte die Gruppe der ‚Erst mal Mittagspause‘-Stimmen, und hier vorne zur ‚Alle beide Lösungen finde ich irgendwie nicht so toll‘-Stimmabgabe“?

Oder doch Ja/Nein/Enthaltung?

Die Opposition dagegen wittert Böses:

Für die Opposition sind solche Forderungen aus den Reihen der Koalition nichts anderes als Populismus.

Genau, weil, diese Forderung, die ist ja .. also, gar nicht so gemeint, also die hätten wir fordern müssen, dann wäre das basisdemokratisch, aber so, die wollen das ja nicht wirklich, sondern reden nur davon.

Gefunden, wie so vieles dieser Tage,bei Fefe und dem schlimmen Focus.

Was ich nicht verstehe I

Es ist ja ein beliebtes Mittel, den Überbringer schlechter Nachrichten zu verurteilen. Jegliche Form der Pressezensur gehört dazu. Sowas machen wir im zivilisierten Europa natürlich nicht mehr, „Eine Zensur der Presse findet nicht statt“ und so. Außer, natürlich, es gibt gewichtige Gründe, man weiß ja nie. Prügelnde Polizisten z.B., sowas will doch keiner sehen.

Als wahren Geniestreich muß man da den Einfall dess mir bis dahin unbekannten Herrn Barnier bezeichnen, Ratingagenturen ab demnächst das Raten zu verbieten, sprich, er möchte, dass den Rating-Agenturen per Gesetz verboten wird, Einschätzungen über Staaten zu publizieren, die sich gerade in einer Krise befinden.

Schön gedacht: Die bösen Banker sind ja immer ein dankbares Ziel, endlich tut mal einer was und so.

Was ich nicht verstehe ist was passiert, wenn ich nun einfach eine selbst Liste mit Ratings veröffentliche. Ich könnte das quasi als öffentliche Dienstleistung, ehrenamtlicherweise machen.Und bisher plappert die Presse auch einfach nur hinterher, anstatt mir mal zu erzählen, warum eine Firma nicht publizieren dürfen soll, was jeder Spatz von den Dächern pfeifen kann.

Sicher kann ich nicht mit der langen Liste an großartigen Vorhersagen der Rating-Agenturen – Enron (1997), WorldCom (2001), Parmalat (2003) sowie Südost-Asien (1997), Argentinien (2001) Island (2008) und einigen anderen  – konkurrieren, aber wird Herr Barrier mir deswegen das Bloggen verbieten?

Ich finde ja, es sollte viel mehr gerated werden, und gebe den Aussichten der Vorschläge Herrn Barniers, Gesetz zu werden, ein solides „C“ (Extremely speculative).