Wahlkampf

Plakat der FDP: „Wird sich die FDP für Gymnasien oder die Einheitsschule einsetzen?“ Antwort: „Wir würden auch beim Fußball die Idee einer Einheitsschule doof finden.“

Aber bei der Steuer findet die FDP einen Einheitssteuersatz, wir er vom … man muß schon sagen: Klassenkämpfer Kirchhof herumgetragen wird eigentlich prima, auch wenn sie es nicht so deutlich sagen mag. Wobei eine einheitliche Mehrwertsteuer, das ist natürlich wieder nicht so gut für die Freundschaft, oder eventuell doch, wer weiß das schon. Sind ja auch alte Hüte, und man muß das differenziert sehen.

Außer wenn Wahlkampf ist, natürlich.

Das eklige ist nun, dass selbst bei so einem Beitrag die Marketing-Agentur vermutlich noch im Jour Fixe mit den FDP-Gestalten jubeln wird „Wir sind wieder in der Diskussion!“. Ich tröste mich damit, dass ich zu wenig Leser habe, um aufzufallen.

Der arme Leibnitz erreicht 1200 rpm

Eine öffentliche Debatte wollte Die Bundesjustizminsterin Leutheusser-Schnarrenberger eröffnen mit Ihrer Rede zum Urheberrecht. Wieso es eine „Berliner“ Rede war, weiß wohl nur die Marketingabteilung – offenbar muß Grundsätzliches heutzutage aus der „Bunnshauptstadt“ (Kohl) herausschallen, um Bedeutung zu haben. Die Rede jedenfalls eröffnet Sie mit einem Zitat von Roman Herzog über die „Erbärmlichkeit“:

Erbärmlich ein Eigentumsbegriff, der sich nur auf Sachgüter, Produktionsmittel und Wertpapiere bezieht und die Leistungen des menschlichen Geistes ausklammert! Erbärmlich eine Gesellschaft, die sich einen solchen Eigentumsbegriff leisten wollte!

Hau-Ruck, mag man Denken. Nun bezweifele ich ja bereits, dass irgendeine Form von kulturellem Reichtum oder menschlichem Glück – oder was der Gegensatz zu Erbärmlichkeit sein mag – aus Eigentum oder einem Begriff von Selbigem kommen kann, aber der Begriff  „geistiger Eigentums“ ist bereits eine contradictio in adjecto: Ein schlicht absurdes Konzept. Sobald ich einen Gedanken, ein Bild, ein Lied zu Papier gebracht, gesungen, gemalt, gesagt habe, mag es noch im juristischen Sinn mein Egentum sein, aber es wird nie wieder in meinem alleinigen Besitz sein, nicht aufgrund fehlender Rechtstheorie, sondern aufgrund der fehlenden Möglichkeit, diesen Besitz  zu sichern: In einer freien Gesellschaft kann ich niemandem am Singen, Nach-Denken, Ab-Malen oder Nacherzählen hindern.

Was wir streckenweise verbieten, is, dass jemand Geld mit dem Nach-Erzählen oder Nach-Singen verdient, aber das betrifft ein Verwertungsrecht, nicht Besitz oder Eigentum.  Dem Künstler bleibt das Verwertungsrecht an bestimmten Medien und Erscheinungsformen seiner Idee, nicht aber der geschaffene Gedanke selbst. Das Verwertungsrecht ergibt Sinn als Anreiz für Künstler. Den Besitz von Ideen oder Kunstwerken selbst aber strafbar zu machen widerspricht jedem Freiheitsbegriff, von „Raub“ und „Piraterie“ zu sprechen, wenn jemand Bits und Bytes kopiert, ist Proapaganda. Und den Schutz geistigen Eigentums gar in den Rang eines Garanten für lebenswerte Gesellschaften zu erheben, ist mehr als falsch: Es ist gefährlich. Die Staaten, in denen der Besitz oder die Kenntnis von ausgewählten Liedern oder Texten bestraft wird, nennen wir Diktatur.

Hier liegt jedenfalls ein  Denkfehler vor, der vielleicht auch einen Teil der Hartnäckigkeit der Industrie, sich Renditen aus unprofitabel gewordene Geschäftsfeldern mittels staatlichem Zwang garantieren zu lassen, erklären mag. Ausgehend jedoch von diesem Grundirrtum entwickelt die Bundesministerin einige Gedanken, die alle unter dem Leitfaden stehen:

Wir können nicht einfach die Mechanismen der analogen Welt eins zu eins auf die digitale Welt übertragen.

Aber selbst diesen Allgemeinplatz, der wohl mal für das inzwischen zu ausgeleierte „Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein“ ersetzen soll, ignoriert Frau Leutheusser-Schnarrenberger dann auch sofort wieder konsequent. Stattdessen  präsentiert sie ein Bündel von Maßnahmen aus der Wunschkiste des Kapitals, dass deshalb so hilflos und – ja, man muß sagen: albern – wirkt, da jede der Maßnahmen eben wieder eine Übertragung amtlich-deutscher Rechtsstaatlichkeitsverfahren auf das Internet ist.

Im Einzelnen nimmt der Spiegel das ganz nett auseinander, so dass ich mir den kruden Mix aus nicht Machbarem, nicht Wünschbarem und nicht Denkbaren ignorieren darf, Im Gesamteindruck wirkt die Rede, als hätte die PR-Abteilung des Ministeriums inzwischen erkannt, dass man mit der Webgemeinde genau so verfahren sollte wie mit Kernkraftgegnern oder Friedensaktivisten: Einfach ein paar der schickeren Vokabeln („Wepp Zwo Punkt Null“) übernehmen und die lästige Minderheit so lange umarmen, bis sich keiner mehr rührt.  Und natürlich immer nett sein:

Der Schutz dieser Autoren wird auch weiterhin das wichtigste Ziel des Urheberrechts bleiben.

Ich wäre mal neugierig, was die ganzen Autoren dazu sagen. Da remixt oder klaut ja keiner irgendwas. Nie nicht.

Die Wahnsinnigen

In Hamburg hat am 25. Oktober eine Gruppe von Vermummten die Besucher des Programmkinos „B-Movie“ in St. Pauli unter Beschimpfungen und Schlägen davon abgehalten, sich einen Film anzusehen. Laut der Erklärung, die anschließend herausgegeben wurde, handelte es sich dabei um eine „pro-zionistischen Veranstaltung“ und mithin „Hetze“, die man erfolgreich gestoppt habe. Die ganze Mentalrandale mag hier nachlesen, wer Interesse verspürt, selbstverständlich haben die freundlichen Vermummten nur auf „Provokation“ und „Propaganda“ reagiert – man ist ja auf der Linken (wie der Text richtig beobrachtet, aber dann auch gleich bewußtlos reproduziert) immer in der Verteidigung, gegen den Kapitalismus, gegen die Verhältnisse und eigentlich, so wie es sich in St. Pauli anhört, gegen den Rest der Welt.

Soweit, so deutscher Alltag im Weltbefreiungszoo. Peinlich, ärgerlich, unakzeptabel und kommentierungswürdig wird die Keilerei zwischen Antiimps und Antideutschen allerdings durch den Film, um den es sich dreht: Claude Lanzmanns „Warum Israel?„, in dem selbstverständlich Araber nicht zu Wort kommen, weil es sich eben um einen Film über Juden handelt. Aber vielleicht würde das B5 auch einen Film bekämpfen, in dem keine Pinguine vorkommen, weil er in Alaska spielt – wenn er denn von Antideutschen gezeigt werden würde. Dann wäre  Claude Lanzmann unschuldig in einen Streit zwischen zwei linken Splittergruppen geraten, der sich halt nur zufällig um Israel dreht.

Denkste. Denn entgegen der ersten Beteuerungen, die Aktion habe sich gar nichit gegen den Film gerichtet, den man ja habe diskutieren können, tritt B5 dann in der Erklärung nochmals ordendlich nach, zitiert Lanzmann aus dem Kontext gerissen und bringt natürlich die armen toten Kinder ins Spiel.

Ich schreibe das hier nicht nur, weil ich es leid bin Leuten zu erklären, dass es keinen Unterschied zwischen Antizionismus und Antisemitismus gibt. Die Frage wurde in den 80ern bereits abschließend behandelt, und wer auf einer Ebene mit SA-Aktionen (die waren die letzten, die in Hamburg die Aufführung von Filmen jüdischer Filmemacher verhindert haben) operiert, darf von mir auch keine Links als „Beleg“ erwarten.

Ich schreibe das hier weil ich es beschämend finde, dass die deutschen Medien zwei Wochen brauchen, um so ein Elend aufzugreifen, weil mich so öffentlich zur Schau gestellte Ignoranz immer wieder – wütend macht.

Riesige Einheit

Eigentlich klang es cool: Riesengroße Puppen sollten gestern durch Berlin wandern, um eine friedvolle und nette Geschichte zum Tag der deutschen Einheit zu erzählen. Eine fantastische Idee, viel besser, als die sonst so beliebte Militärparade, wie ich finde. Die beiden Puppen streiften angeblich zwei Tage durch Berlin Mitte, um sich dann am dritten Oktober vor dem Brandenburger Tor zu treffen, und gemeinsam noch einen Tag zu verbringen. Was bedeutet, dass sie wohl heute wohl noch irgendwo unterwegs sind.

Tag der Uneinheit 2009
Tag der Uneinheit 2009

Unglücklicherweise habe ich davon bis heute nichts zu Gesicht bekommen. Was sicher auch an mir lag: Ich war nicht jeden Tag draussen, um nach Ihnen zu sehen – wir haben Besuch, und da gab es noch einen Haufen anderer Sachen zu unternehmen. Gestern Nachmittag aber wollten wir uns dann mal das Fest zur Deutschen Einheit auf der Straße des 17. Juni anschauen. Wie gesagt: Wollten.  Das von meinen Steuergeldern bezahlte Fest war abgeriegelt, der „Veranstaltungsleiter“ hatte beschlossen, es seien zu viele Menschen da. „Staatsdiener“, noch so ein gräßliches Wort für Leute die von meinem Geld bezahlt werden damit sie für mich arbeiten – und nicht für den Staat, wie ihr Name impliziert, bewachten die Sperren, auf das ja kein Kind zuviel die Puppen bestaune.

Und ja, selbstverständlich gibt es Sicherheitsvorschriften und Richtlinien und viele viele lustige Regeln zum Wohle aller, aber es ist ja nun nicht das erste mal, dass auf der Straße des 17. Juni eine Party stattfindet. Es ist auch nicht das erste mal, dass da ein paar hunderttausend Leute zusammenkommen. Und wenn der „Veranstaltungsleitung“ nichts besseres einfällt, als Sperren aufzubauen, dann ist das eine derartige Zurschaustellung von Inkompetenz, dass mich das ärgert. Die Transparenz beschränkt sich auf ein schlichtes „wer zu spät kommt, hat Pech gehabt“, dabei gäbe es weiß Gott genug Möglichkeiten, mehr Leute unterzubringen, oder die limitierten Plätze anders zu verteilen. Verlost oder verkauft sie im Internet, oder sagt wenigstens den armen Kerlen, die sich an den Absperrschranken die Beschwerden der abgewiesenen Besucher anhören mußten, wann die Feier weitergeht.

Aber das hunderttausende von Deutschen am Tag der deutschen Einheit mit „Wir wissen och nischt, wanns weitergeht“ an Sperren in der Hauptstadt abgewiesen wurden, erscheint mir für einen 3. Oktober doch etwas zu peinlich.

Im Westen nichts Neues II

Beim Stöbern gefunden habe ich diese nette kleine Kampagne, die sich, wie andere auch, gegen die zunehmende Überwachung im Internet richtet. Nun müßte man nur noch wenigstens eine der Parteien dazu bewegen, sich nicht im Namen von Berufsparanoikern und Musikindustriellen zum Affen zu machen, sondern gegen Prestige- und Wählergewinn sich dieser Sache annimmt. Ich schätze die Chancen vorerst nicht hoch ein, leider.