Piraten Ahoi

Die „Media Rights Group“ setzt sich in Australien für die Rechte von Medienkonzernen ein und bekämpft die illegale Weiterverbreitung copyrightgeschützten Materials. So bereitet die Rechtsanwaltsfirma Lloyds Solicitors gerade eine Sammelklage gegen rund 9000 Australier vor, die angeblich den Film „Kill the Irishman“ per .torrent heruntergeladen haben sollen.

So weit, so das ganz übliche, nur dreht sich hier der Irrsin eine Schraube weiter: Es sind nicht mehr schmierige Rechtsanwälte, die hier das Abzocken von Durchschnittsbenutzern zum Geschäftsmodell erheben, sondern zwei Halbweltgestalten, die ansonsten ihr Geld mit Cracker- und Phishing-Seiten verdienen und nebenbei einen Sexismus an den Tag legen, der sich gewaschen hat. Obwohl das unerlaubte Eindringen in Computer, das Klauen von Software und die Verbreitung von sexistischem Scheiß ja auch durchaus im Mainstream seinen Platz hat.

Also doch: Alles wie gehabt.

Was ich nicht verstehe I

Es ist ja ein beliebtes Mittel, den Überbringer schlechter Nachrichten zu verurteilen. Jegliche Form der Pressezensur gehört dazu. Sowas machen wir im zivilisierten Europa natürlich nicht mehr, „Eine Zensur der Presse findet nicht statt“ und so. Außer, natürlich, es gibt gewichtige Gründe, man weiß ja nie. Prügelnde Polizisten z.B., sowas will doch keiner sehen.

Als wahren Geniestreich muß man da den Einfall dess mir bis dahin unbekannten Herrn Barnier bezeichnen, Ratingagenturen ab demnächst das Raten zu verbieten, sprich, er möchte, dass den Rating-Agenturen per Gesetz verboten wird, Einschätzungen über Staaten zu publizieren, die sich gerade in einer Krise befinden.

Schön gedacht: Die bösen Banker sind ja immer ein dankbares Ziel, endlich tut mal einer was und so.

Was ich nicht verstehe ist was passiert, wenn ich nun einfach eine selbst Liste mit Ratings veröffentliche. Ich könnte das quasi als öffentliche Dienstleistung, ehrenamtlicherweise machen.Und bisher plappert die Presse auch einfach nur hinterher, anstatt mir mal zu erzählen, warum eine Firma nicht publizieren dürfen soll, was jeder Spatz von den Dächern pfeifen kann.

Sicher kann ich nicht mit der langen Liste an großartigen Vorhersagen der Rating-Agenturen – Enron (1997), WorldCom (2001), Parmalat (2003) sowie Südost-Asien (1997), Argentinien (2001) Island (2008) und einigen anderen  – konkurrieren, aber wird Herr Barrier mir deswegen das Bloggen verbieten?

Ich finde ja, es sollte viel mehr gerated werden, und gebe den Aussichten der Vorschläge Herrn Barniers, Gesetz zu werden, ein solides „C“ (Extremely speculative).

 

2 Billiarden mehr oder weniger? Egal!

Und so stellt sich dann heraus, dass Standard&Poors, die Ratingagentur, welche die derzeitige Panik an den Börsen maßgeblich mit ausgelöst hat, mal eben 2 Billiarden Dollar unter den Tisch fallen läßt, weil sie nicht rechnen können.  Aber das ist ja auch egal, die Entscheidung war sowieso politisch, da kommts auf son paar Nullen nicht an, richtig?

Dies von den Leuten, die Kreditfinanzierte Hypothekenpapiere mit AAA bewerteten, bis etwa ein paar Tage nach dem Crash der Lehman Brothers.  Vielleicht sollte ich einfach eine Rating Agentur aufmachen, Europa braucht ja noch eine, hört man immer wieder.

Wahlkampf

Plakat der FDP: „Wird sich die FDP für Gymnasien oder die Einheitsschule einsetzen?“ Antwort: „Wir würden auch beim Fußball die Idee einer Einheitsschule doof finden.“

Aber bei der Steuer findet die FDP einen Einheitssteuersatz, wir er vom … man muß schon sagen: Klassenkämpfer Kirchhof herumgetragen wird eigentlich prima, auch wenn sie es nicht so deutlich sagen mag. Wobei eine einheitliche Mehrwertsteuer, das ist natürlich wieder nicht so gut für die Freundschaft, oder eventuell doch, wer weiß das schon. Sind ja auch alte Hüte, und man muß das differenziert sehen.

Außer wenn Wahlkampf ist, natürlich.

Das eklige ist nun, dass selbst bei so einem Beitrag die Marketing-Agentur vermutlich noch im Jour Fixe mit den FDP-Gestalten jubeln wird „Wir sind wieder in der Diskussion!“. Ich tröste mich damit, dass ich zu wenig Leser habe, um aufzufallen.

Eine Woche nur Buch

Vor ein paar Tagen in der U-Bahn: Zwei Kids laufen vor mir her die Rolltreppe runter, beideum die 17, 18, arabisch-türkisch-kreuzbergisch mit den üblichen scwarzen Alpha-Industries-jacken und Hoodies. Der Kleinere, kaum einen Schnurrbart im Anflug und eine kleine Brille auf hält ein Blatt in der Hand, auf der in riesiger Schriftgröße ein gedichtähnlicher Text abgedruckt ist. Ich sehe ein paar Satzfetzen „Mein Liebling, ohne Dich..“ und „Du bist Shia ich bin Sunnite, aber die Libe ist größer…“ und wieder „…mein Schatz“.  Der Ältere der beiden belehrt den Jüngeren:

„Wenn Du Rappen willst, Alter, dann musst du erstmal Deinen Text verbessern. Weißt Du, wass Du machst? Lies mal ein Buch! Und dann machst Du eine Woche nur Buch!“

Und vielleicht ist das paternalistische Bildungsbürgerscheiße, aber ich war beeindruckt. Die beiden wachsen hier auf in einer Welt, in der die Hälfte der Eltern ihren Kindern nie eine Geschichte erzählt, in der ein Drittel der Eltern überhaupt nicht vorliest. Alleingelassen von der deutschen Gesellschaft lernen sie meist ein paar hundert Worte schlechtes Deutsch und ebensoviele Worte schlechtes Türkisch. Und dann von Alleine drauf zu kommen, das zum Rapper nicht nur Screet-Cred gehört, sondern vor allem „Skillz“, das eben Lernen und Lesen essentiell sind für jede Form der Kunst, finde ich bemerkenswert. Ich ziehe meinen nichtvorhandenen Hut und wünsche den Beiden eine erfolgreiche Karriere, und viele neue Erkenntnisse durchs Lesen.

Und klar gefiel mir, dass er keine Battle-Rhymes vor sich hatte, sondern mal etwas Versöhnlicheres.