Räder rollen für den Sieg

Heute Morgen im Radio gleich zwei mal ein Werbespot „A wie Angriff – die neue A-Klasse von Mercedes Benz“. Nun bin ich ja von deutscher Reklame einiges gewohnt, aber das lies mich dann doch husten.

Dachten die frischen Jung von Matt-Werber dabei vielleicht an das früher so beliebte „Angriffshöhe 4000„, eines der „Wir waren dabei“-Bücher über die zu einem guten Teil mit Mercedes-Motoren bestückte Luftwaffe, welches so viele Details enthält, aber dabei kein Wort über Gründe und Auswirkungen des Krieges verliert? Hat bei der Nachkriegsgeneration eingeschlagen wie eine Bombe, hähä, also mögen die Jungen den sicher auch, den Ton.

Oder wollten die jungen Damen und Herren vielleicht subversiv darauf anspielen, dass Mercedes Benz einer der beiden größten Einzelaktionäre bei der EADS ist (dem wiederum zweitgrößten europäischen Rüstungskonzern und dem siebtgrößten der Welt)? Das Mercedes Benz qua Teilhaberschaft mitverantwortlich ist dafür, dass Deutschland jetzt wieder der drittgrößte Rüstungsexporteur der Welt ist und fröhlich Panzer an Diktatoren oder islamische Gottesstaaten, in denen Menschenrechte mit Füßen getreten werden, liefert?

Die direkte Verknüpfung mit der beliebten Berliner Tageszeitung aus vergangener Zeit wäre vermutlich sogar unseren sensiblen Medienschaffenden zu plump, zumal trotz der vorbildlichen Personalunion von Betriebsführung und Parteileitung sich schon im Herbst 1944 zersetzende Elemente am Volkseigentum schamlos bereicherten. Nach dem Ausbruch der Alliierten bekam man in Böblingen, Sindelfingen und Stuttgart kalte Füße und schaffte das aus den aus ganz Europa herangezerrten Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen herausgepresste Geld in Sicherheit. Irgendwer mußte das Wirtschaftswunder ja schließlich bezahlen, allein vom Marshall-Plan kommt da nix, sonst hätte es in Großbritannien und Frankreich viel mehr wirtschaftswundern müssen als im schönen Schwabenländle. Und es git eben gute Gründe, warum die Briten noch drei Jahre länger um Essensmarken anstehen mußten als wir.

Aber wer wird schon wieder von diesen Geschichten anfangen wollen. Wir nicht, und Jung von Matt würde wenn eher dafür bezahlt, von diesen unschicklichen Details auf dem Weg zum größten Autokonzerne der Welt  abzulenken, und nicht, um dumme Witze zu reißen. Es sei denn, die Herren der Marketingabteilung von Mercedes hätten tatsächlich eine sehr seltsame Art von Humor, in welchem Fall wir geneigt wären, ihnen Hämorriden in der Größe von  Tennisbällen zu wünschen, und dies auch nur als eine der milderen Strafen, die gerechterdings in einem solchen Fall wünschbar wären.

Andererseits lassen diese Geschichten einen natürlich nicht immer los, wie Geschichten eben so sind: Sie bleiben zäh kleben im Gehirn, verketten und verbinden sich, und setzen immer noch einen drauf. Und selbst wenn mir Google jetzt sagt, der Spot wurde bereits im Mai 2012 gesendet und bedient sich beim Fußball, weil Fußball ist ja nur Sport und unschuldig, dann fällt meinem armen Kopf dazu auch nur dieses lästige Phänomen ein, dass seit acht Jahren auf einmal lauthals überall geschrieben wird, es sei jetzt gefälligst normal, deutsche Fahnen zu schwenken und dabei zu gröhlen, das zeige den unverkrampften Umgang mit der Nation. Da werden Sommermärchen beschworen und die neue Normalität, dass man sich fragt, wie wir nur in dieser schrecklich freudlosen Trauerrepublik des 20. Jahrhunderts ohne seelischen Schaden groß werden konnten.

Aber natürlich ist die neue Normalität ganz ein Kind der alten Normalität, und auch wenn mich gerade keiner gefragt hat: Ich möchte mit jemand, der mit Freude, Hingabe, Disziplin, Aufopferungsgeist und viel Mühe Millionen von Menschen im industriellen Maßstab nur deswegen umgebracht hat, weil sie ihm nicht paßten, nicht mal an einem Tisch sitzen, geschweige denn, seine Farben tragen. Ja, nee, klar, war keiner der heute Lebenden da dabei, haben die nix mit zu tun, aber die Defintion von Nation beinhaltet

„gemeinsame kulturelle Merkmale wie Sprache, Tradition, Sitten, Gebräuche oder Abstammung“,

lauter historisches Zeug eben. An dieser Stelle Dank an die Wikipedia für die Bestätigung aller Vorurteile: Der Artikel beginnt mit der deutschen, schwammigen, auf Abstimmung und Kultur beruhenden Defintion, nicht der ursprünglicheren, französischen, revolutionären, liberalen Definition der Nation als eines freiwilligen Zusammenschlusses von freien Bürgern, eines „täglichen Plebiszit“ (Renan). Für die Deutschen muss es eben immer die Kultur und das Blut sein.

Die Gesamtheit der Lebenden aber möchte vor allem Fahnen schwenken und Israel kritisieren. Aber fragen Sie doch mal den nächsten Polen, den sie treffen, was er davon hält, wenn er „A wie Angriff“ hört und dann auch noch die deutsche Fahnen sieht. Es gibt da historische Vorbilder in den Bilderwelten. Sie können ihn ja dann immer noch damit beruhigen, dass das Existenzrecht Polens für uns nicht zur Diskussion steht.

Wichtige Fragen der Arbeitswelt VI

Wenn ich für ein kleines, aufsteigendes Unternehmen arbeite, dessen Zukunft ungewiss ist, dann zahlt der Chef gerne mal mit Aktien – zumindest in den USA, und zumindest im Web-Bereich. Ein faires Geschäft: Meine Karriere kann schnell vorbei sein, wenn die Firma scheitert, was bei Startups ja ab und an vorkommen soll. Ich tausche also die sichere Laufbahn und festes Gehalt in einem großen Unternehmen gegen ein höheres Risiko, aber auch höhere Bezahlung bei Erfolg ein.

Ist es da nicht etwas geschmäcklerisch, oder sogar unmoralisch,nicht zu sagen geradezu eklig gierig, wenn das Unternehmen, nachdem es großgeworden ist, nun beschließt, dass ich meine ganzen Aktionoptionen wieder herausgeben soll, da ich sie ja gar nicht verdient habe? Ist es nicht so, dass der Verdienst in diesem Fall darin bestand, sich mit Einsatz der eigenen Karriere an einem unternehmerischen Risiko zu beteiligen? Wäre das nicht ebenso, als würde mein Chef Teile meines letzten Jahresgehalts wiederhaben wollen, weil ich es nicht verdient hätte?

Offenbar sieht Zynga das anders. Aber anders wird man wohl nicht reich.

 

 

Was ich nicht verstehe I

Es ist ja ein beliebtes Mittel, den Überbringer schlechter Nachrichten zu verurteilen. Jegliche Form der Pressezensur gehört dazu. Sowas machen wir im zivilisierten Europa natürlich nicht mehr, „Eine Zensur der Presse findet nicht statt“ und so. Außer, natürlich, es gibt gewichtige Gründe, man weiß ja nie. Prügelnde Polizisten z.B., sowas will doch keiner sehen.

Als wahren Geniestreich muß man da den Einfall dess mir bis dahin unbekannten Herrn Barnier bezeichnen, Ratingagenturen ab demnächst das Raten zu verbieten, sprich, er möchte, dass den Rating-Agenturen per Gesetz verboten wird, Einschätzungen über Staaten zu publizieren, die sich gerade in einer Krise befinden.

Schön gedacht: Die bösen Banker sind ja immer ein dankbares Ziel, endlich tut mal einer was und so.

Was ich nicht verstehe ist was passiert, wenn ich nun einfach eine selbst Liste mit Ratings veröffentliche. Ich könnte das quasi als öffentliche Dienstleistung, ehrenamtlicherweise machen.Und bisher plappert die Presse auch einfach nur hinterher, anstatt mir mal zu erzählen, warum eine Firma nicht publizieren dürfen soll, was jeder Spatz von den Dächern pfeifen kann.

Sicher kann ich nicht mit der langen Liste an großartigen Vorhersagen der Rating-Agenturen – Enron (1997), WorldCom (2001), Parmalat (2003) sowie Südost-Asien (1997), Argentinien (2001) Island (2008) und einigen anderen  – konkurrieren, aber wird Herr Barrier mir deswegen das Bloggen verbieten?

Ich finde ja, es sollte viel mehr gerated werden, und gebe den Aussichten der Vorschläge Herrn Barniers, Gesetz zu werden, ein solides „C“ (Extremely speculative).

 

2 Billiarden mehr oder weniger? Egal!

Und so stellt sich dann heraus, dass Standard&Poors, die Ratingagentur, welche die derzeitige Panik an den Börsen maßgeblich mit ausgelöst hat, mal eben 2 Billiarden Dollar unter den Tisch fallen läßt, weil sie nicht rechnen können.  Aber das ist ja auch egal, die Entscheidung war sowieso politisch, da kommts auf son paar Nullen nicht an, richtig?

Dies von den Leuten, die Kreditfinanzierte Hypothekenpapiere mit AAA bewerteten, bis etwa ein paar Tage nach dem Crash der Lehman Brothers.  Vielleicht sollte ich einfach eine Rating Agentur aufmachen, Europa braucht ja noch eine, hört man immer wieder.

Es läßt mich gerade wohl nicht in Ruhe…

… das Urheberrecht. und natürlich das Schreiben von suchmaschinenunfreundlichen Überschriften. Search Engine Aggravation, oder wie immer man das nennen mag – SEA.

Jedenfalls berichtet netzpolitik.org am Freitag über das, was dann dabei rauskommt, wenn die bereits besprochene Verwirrung der Justizministerin sich ausbreitet auf die seit Jahren um ihre Renditen bangenden Verleger: Unfug. Derzeit sammeln ja alle Lobbyisten fleißig für den dritten „Korb“ des Urheberrechts. Sprachlich finde ich es charmant, das Kind beim Namen zu nennen: Schließlich geht es darum, dass möglichst alle Beteiligten etwas bekommen, für dass sie nichts getan haben, und wie bei jedem Geschenke-Korb plärren alle laut los, um ja von Mama Staat nicht vergessen zu werden. Die neuste Idee der Zeitungsverleger für dieses Sammelsurium an Renditegarantiemaßnahmen nun ist ein Copyright auf Überschriften und Satzteile.

Also darf ab sofort nur noch eine Zeitung schreiben „Beim G-20-Gipfel droht der Fehlschlag“, und alle anderen 404 Zeitungen müssen sich etwas anderes einfallen lassen? Und jedesmal, wenn ein Blogger einen Beitrag schreibt, muß er vorher recherchieren, ob die Überschrift, die er sich ausgedacht hat, bereits von jemand anderem genutzt wurde, da sonst eine Mahnung droht? Und diese Recherche dauert dann Tage, da die Suchmaschinen ja die copyrightgeschützten Satzteile gar nicht mehr indizieren und wiedergeben dürfen? Und  so muss dann auch jeder Journalist vor dem Abfassen einer Lokalnachricht alle 404 Zeitungen durchsuchen, ob schonmal jemand die Überschrift „Sommerfest der Feuerwehr“ verwendet hat? Und wie funktioniert das dann bei bereits in Romanen, Journalen oder Zeitungen der letzten 400 Jahre erschienenen Sätzen? Darf also demnächst niemand mehr irgendwas zitieren?

Fragen über Fragen. Vermutlich gilt auch hier die Regel, dass man ersteinmal die ganze Torte verlangen muss, um mit drei Stücken aufs Sofa klettern zu können und immer noch von Mami für Einsicht und Bescheidenheit gelobt zu werden. In dem Fall ist die Forderung nach Abschaffung des Copyrights eigentlich die logische Gegenmaßnahme.

Was auch immer dabei rauskommt, wenn dieser Vorschlag umgesetzt wird, er dürfte zumindest dafür sorgen, dass die BILD-Zeitung arg in Schwierigkeiten gerät: Die dann zur Vermeidung von Copyrightproblemen nötigen langen Überschriften passen doch auf keine Titelseite mehr. Am Ende stehen da noch wirkliche Informationen drin.

Als Begründung für diesen intellektuellen Durchfaller nennt der „Experte“ des Verbands der Deutschen Zeitschriftenverleger (VDZ) die News-Auszüge, die Suchmaschinen auf ihren Ergebnis-Seiten bringen, und deren Inhalte sie von den Seiten der Zeitungen ziehen. Diese seien urheberrechtlich geschützt, ebenso wie die Überschriften, da dort „viel kreative Energie“ drinstecke.

Vielleicht sollte jemand den Herrn beiseitenehmen und ihn über die Verwendung der robots.txt aufklären. Oder glaubt beim VDZ oder sonstwo ernsthaft jemand, dass noch Besucher auf die Webseiten der Tageszeitungen kommen zu einer Zeit, in der die meisten Menschen die Sucheingabezeile von Google als Adressfeld für den Browser verwenden?

Und der Qualitätsjournalismus? Der wird sich weiterhin lohnen, es gibt genügend Blogger, die inzwischen mehr als gut von ihrem Schreiben leben können.

Nur für Verleger ist da halt nicht mehr viel drin.